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Ren Hang
野生 (Wild)
Provokant und direkt. Gleichzeitig ästhetisch, humorvoll und poetisch. Die Fotografien des chinesischen Künstlers Ren Hang (1987–2017) faszinieren durch ihre radikale Bildsprache. OstLicht. Galerie für Fotografie präsentierte die europaweit bisher umfangreichste Ausstellung des jungen Shootingstars. Sein plötzlicher Tod ist nicht nur ein unwiederbringlicher Verlust für alle, die ihn gekannt haben, auch die Kunstwelt verliert mit ihm eines ihrer klügsten und kompromisslosesten Talente.
Ren Hangs analoge Fotografien erzählen von menschlichen Emotionen, von Beziehungen und Freundschaften, genauso wie von Angst und Einsamkeit. Junge Frauen und Männer – meist Freund:innen des Künstlers – posieren nackt in mal verletzlichen, mal expliziten Posen. Ihre Blicke oft direkt in die Kamera gerichtet, sind die Modelle immer in einer aktiven Rolle. In den Porträts vor monochromen Hintergrund, am Dach eines Hochhauses oder in der Natur, tauchen Tiere wie Schlangen, Vögel oder Katzen und Blumen als Requisiten auf. In verrenkten Posen und ungewöhnlichen Arrangements sind Körper bei Ren Hang etwas Abstraktes. Der menschliche, nackte Körper wird zur formbaren Skulptur und somit entsexualisiert. Dabei schwingt immer ein subtiler Humor in den Fotografien des Künstlers mit.
In Peking lebend und arbeitend, war Ren Hang beeinflusst von der chinesischen Kultur und seinem direkten Umfeld. Seine Bilder stellen unter anderem ein Porträt seiner eigenen Generation und von Chinas urbaner Jugendkultur, die sich nach individueller Ungebundenheit und spiritueller Freiheit sehnt, dar. Sie reflektieren eine spontane und freiheitssuchende Lebensweise. Hangs intime Fotografien fordern moralische und soziale Tabus Chinas direkt heraus, indem sie den menschlichen Körper und Sexualität, vor allem auch Homosexualität erkunden, die in China bis 2001 als Geisteskrankheit galt. Die regelmäßige Zensur seiner Bilder beeinflusst seine künstlerische Praxis und die Ästhetik seiner Fotografien. Sie sind einerseits sorgfältig inszeniert, andererseits ist ihnen das Momenthafte inhärent, das seiner – teils unfreiwillig – schnellen Arbeitsweise entspringt.
Kuratiert von Raphaele Godin und Rebekka Reuter
Zur Ausstellung erschien eine Publikation bei dieNacht Publishing, herausgegeben von Michael Kollmann und Calin Kruse.
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