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GRUPPENSCHAU
Über die Künstler:innen
Melissa Alcena, Francesca Catastini, Christian Eisenberger: Mit gleich drei außergewöhnlichen Ausstellungen beleuchtet die Galerie OstLicht die bemerkenswerte Bandbreite zeitgenössischer Fotografie.
MELISSA ALCENA
Türkises Wasser, leere weiße Sandstrände, tropische Früchte und Luxusressorts: So wird die Karibik meist bildlich dargestellt. Die bahamaische Fotografin Melissa Alcena dreht die Erzählung ihrer Heimat um und stellt statt des malerischen Ferienparadieses die Einwohner:innen der Bahamas selbst in den Mittelpunkt. Alcenas Arbeiten sind zwischen Dokumentation und inszenierter Fotografie angesiedelt und zeigen Land und Menschen komplex, sinnlich und vielfältig. Die atmosphärischen Porträts, aufgenommen im Freien und in arrangierten Innensettings, ergänzt sie mit Studioaufnahmen leuchtender Blumen vor schwarzem Hintergrund. Auffällig sind die wiederkehrenden Rücken- und Profilansichten, die raumgreifend große Flächen einnehmen und die sonst überpräsenten touristischen Bilder dieses „Ferienparadieses“ verdecken. Utensilien, etwa Sonnenbrillen, Ketten oder Stoffe, geben Hinweise auf die Individualität der Personen. Manche wirken wie von einem sanften Schleier umhüllt und widersprechen damit dem Bild einer Karibik in ausschließlich hellen leuchtenden Farben.
Melissa Alcenas starkes Gespür für Farben und der Wechsel von tiefen Schatten und hellem Licht, charakteristisch für die Bahamas, prägen die Fotografien. Sogar bei Aufnahmen in strahlendem Sonnenschein oder vor türkisfarbenem Wasser gewährt die Fotografin nur wenig Einblick in den Kontext dieser Kulisse und vermeidet stereotype Paradies-Darstellungen, indem sie die Protagonist:innen in eng gefassten Settings modelliert.
Die Galerie OstLicht zeigt Melissa Alcenas Werke erstmals in Europa.
FRANCESCA CATASTINI
Ein Schlafzimmer in Grau- und Weißtönen, eine Steinbüste, deren Augen von Händen verdeckt werden, eine weitere steht auf einem Nachttisch. Der Kopf liegt daneben, dazwischen mit dunklem Holz dekorierte Innenräume. Francesca Catastini zielt in ihrer fotografischen Arbeit darauf ab, die Idee der Trennung zu überwinden und setzt Bilder mit Bildern, Text oder anderen Objekten in Interaktion. Durch diesen Prozess der kontinuierlichen Erfindung und Schichtung werden neue Bedeutungen aktiviert. Die Galerie OstLicht präsentiert Arbeiten aus Francesca Catastinis Serien The Modern Spirit Is Vivisective und Petrus.
In The Modern Spirit Is Vivisective befasst sich die Künstlerin mit dem Phänomen des öffentlichen Sezierens. Am Ende des XVI. bis zum XVIII. Jahrhundert wurden hingerichtete Sträflinge in den so genannten anatomischen Theatern einmal im Jahr öffentlich seziert. Im Saal saßen Student:innen, Professor:innen, Würdenträger:innen und zahlendes Publikum. Diese Theater bilden den Ausgangspunkt von Catastinis fotografischer Serie. The Modern Spirit Is Vivisective ist eine Auseinandersetzung mit der Theaterarchitektur und eine Reflexion über die beobachtende Rolle des Publikums, das – egal ob Laien oder Fachleute – Zeuge der Segmentierung menschlicher Körper wurde.
In Petrus geht Catastini dem menschlichen Drang nach, sich selbst und die Welt durch spezifische und vertraute Formen zu definieren. Catastini betrachtet deren symbolische Gewalt, die Art und Weise, wie sie Menschen formen und Ansichten prägen. Die Form ist niemals stabil, sie ist Ergebnis einer nicht endenden Spannung unterschiedlich wirkender Kräfte. In einer zynischen, zärtlichen und willkürliche Analyse spielt Francesca Catastini in Petrus mit Archetypen und Bildern. Mit dem titelgebenden Namen „Petrus“ bezieht sich die Künstlerin auf eine gleichnamige Spirituose, die in den 1970er Jahren als „das perfekte Getränk für den starken Mann“ und „den Mann, der nach der Natur lebt" galt. „Aber was ist Natur?“, fragt Catastini.
Die Galerie OstLicht zeigt Francesca Catastinis Werke erstmals in Österreich.
CHRISTIAN EISENBERGER
Ein Schneemann fährt Fahrrad. Ein anderer steht, ausgestattet mit einer über seinen Kopf ragenden Sense, auf einem Hochstand und hält Ausschau nach Opfern. Ein halber Totenkopf aus Schnee wird von seinem Schattenwurf komplettiert. Geformt aus grobem Geäst auf einer Schneedecke gießt eine Espressokanne Kaffee in eine Tasse. Ist der fliegende Heuballen in der Luft Einbildung? Eine Pfütze im matschigen Waldboden formt „Hahaha“. Holzleisten vor Gebüsch und Bäumen bilden rudimentär zusammengenagelt die Buchstaben „O.T“.
„Ohne Titel“ sind auch die fotografischen Arbeiten, in denen Christian Eisenberger seine Land Art Situationen festhält. Und Fotografien sind es, die bleiben, denn vergänglich sind seine Installationen alle früher oder später. Die Kamera ist Christian Eisenbergers Leinwand der Landschaftsmalerei.
Tannenzapfen, Äste, Erde, Schnee – Christian Eisenberger findet sein Material vorwiegend in der Natur. Werden seine in der Stadt aufgestellten Pappfiguren von einem meist zufällig vorbeikommenden Publikum betrachtet, so ist Eisenberger in der Natur sein eigener und meist einziger Zuseher. Gleichzeitig baut er sich wiederholt selbst in seine Installationen ein: Er steht nackt in der sternförmigen Lücke eines zugefrorenen Teichs, blickt mit roter Jacke und grüner Mütze durch eine Eisplatte oder balanciert performativ mit aufgemaltem Kreuz am Rücken in der hochgewachsenen Wiese.
Das von Christian Eisenberger immer schon empfundene tiefe Verlangen, draußen zu sein, hat vielerlei Gründe. Er erfährt die Natur als regelfreien Raum, als Ort der Freiheit und Spontanität, die ungestörte Entfaltung und Möglichkeit der Flucht bietet, ein Sehnsuchtsort der Ruhe und Stille. Auch wenn Eisenberger „Natur“ durchaus kritisch betrachtet – „In unseren Breiten müssen wir von Industrielandschaft sprechen“, sagt er. „Die Behandlung des Bodens wird ja kriegerisch betrieben.“ – so liegt seinen Arbeiten doch die der Natur implizierte Ursprünglichkeit und Wesentlichkeit zugrunde. Die spielerisch und roh anmutenden Werke Christian Eisenbergers vermitteln gleichzeitig Vergänglichkeit sowie Humor und Leichtigkeit. Neben makabren und grotesken Scherzen strahlen sie kindliche Freude am Spielen und Probieren im Freien aus.
Eine Besonderheit ist zudem die von Christian Eisenberger anlässlich der Ausstellung handgefertigte Künstlermappe BCDEHIOX 380. Dieses exklusive Mappenwerk ist auf 20 Stück limitiert und enthält jeweils zwölf signierte Farbfotografien, ein Skizzenbuch (Faksimile), eine originale Papierarbeit und ein Textblatt. Die Künstlermappe wird gemeinsam von der Galerie Krinzinger und der Fotogalerie OstLicht herausgegeben.
EVENTGALERIE
Blinding an Anatomist with My Bare Hands
2016
Aus der Serie »The Modern Spirit Is Vivisective«
Inkjet Print
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